Simply the Best 11FREUNDE

Publish date: 2024-12-13

Auf zwei Dinge sind die Men­schen in Bel­fast stolz: auf die Titanic, die hier zwi­schen 1909 und 1912 gebaut wurde, und auf George Best, den größten nord­iri­schen Fuß­baller aller Zeiten.

Beson­ders Best ist überall. Schon bei der Ankunft in Bel­fast grüßt er mich in großen Leucht­buch­staben, denn der Flug­hafen ist nach ihm benannt. Im Osten der Stadt kann man einige Best-Wand­ma­le­reien ent­de­cken, im Zen­trum steht das Gebäude, das irgend­wann mal zum George-Best-Hotel werden soll. Im Regal eines Plat­ten­la­dens ist das Album der Band The Wed­ding Pre­sent mit dem iko­ni­schen Foto von George Best aus­ge­stellt, in einer Box findet man die Best-Tri­bute-Single Bel­fast Boy“ von Don Fardon. In einem Tou­ris­ten­shop kann man George-Best-Bier und George-Best-Chips kaufen. Und im Super­markt an der Kasse wun­dert man sich kurz, dass der Kas­sierer nicht George Best heißt, son­dern Jack (so steht es auf seinem Namens­schild).

Aber wenn wir ehr­lich sind: So außer­ge­wöhn­lich ist das natür­lich gar nicht, denn welche Stadt prä­sen­tiert nicht gerne ihre berühm­testen Söhne und Töchter? In Buenos Aires wird man erschlagen von Mara­dona-Merch und Mara­dona-Graf­fiti; in Liver­pool schallt einem an jeder zweiten Ecke ein Beatles-Song ent­gegen; in Madeira grient einen die Büste eines Typen an, der Cris­tiano Ronaldo sein soll (zumin­dest behauptet das der Künstler).

Die Ein­hei­mi­schen waren genervt von den Fan­massen

Kleiner Exkurs an dieser Stelle, es gibt auch Orte, da hält man wenig von Hel­den­kult: Die Gemeinde Loit­sche in Sachsen-Anhalt ver­stei­gerte das Halt­stel­len­häus­chen, in dem Bill und Tom Kau­litz von Tokio Hotel einst auf ihren Schulbus war­teten. Die Ein­hei­mi­schen, so begrün­dete die Orts­ver­wal­tung die Ver­äu­ße­rung, waren extrem genervt von den Fan­massen, die täg­lich durch ihr Dorf maro­dierten und sich mit Bil­dern und Texten an der Bus­hal­te­stelle ver­ewigten. Man mag sich gar nicht vor­stellen, was in Loit­sche los wäre, wenn man das Geburts­haus der Kau­litz-Zwil­linge besich­tigen oder sogar mieten könnte.

So wie in Bel­fast das Haus der Familie Best.

Es steht im Süd­osten der Stadt, Burren Way 16, roter Back­stein, weiße Fens­ter­rahmen, blaue Ein­gangstür, ein beschei­denes Heim in einem Arbei­ter­viertel. Nur ein kleines Schild verrät, wer hier mal gewohnt hat: Fami­li­en­haus der Fuß­ball­le­gende George Best“.

Die Bests zogen Anfang 1948 ein, George war damals 18 Monate alt, und er wohnte hier, bis er mit 15 Jahren zu Man­chester United wech­selte. Später bot George seinem Vater Dickie oft an, ein neues und grö­ßeres Haus für die Familie zu kaufen, aber Dickie lehnte immer ab. 2011, drei Jahre nach dem Tod des Vaters, erwarb eine Wohl­tä­tig­keits­or­ga­ni­sa­tion das Haus, bevor es für immer vom Immo­bi­li­en­markt geschluckt werden konnte. Heute ist es eine Mischung aus Museum und Tou­ris­ten­un­ter­kunft. Und als ich neu­lich für eine Repor­tage über das Sta­dion The Oval in Bel­fast war, habe ich das Haus für zwei Nächte gebucht.

Ver­giss die Bom­bonera und das Mara­cana. Das schönste Fuß­ball­sta­dion der Welt steht im Osten des nord­iri­schen Bel­fast. Will­kommen beim Glen­toran FC.

Zur Reportage

Am Gar­tentor wartet Peter McCabe, George-Best-Lexikon und George-Best-Haus-Haus­wart in einem. Bitte ein­treten“, sagt er, und dann geht’s los. Denn bevor ich es mir hier gemüt­lich machen kann, unter­nehme mit Peter eine Zeit­reise in die Ver­gan­gen­heit.

In einem Regal am Ein­gang stehen sämt­liche Best-Bio­gra­fien, quasi zur Ein­füh­rung. Also, im Schnell­durch­lauf: Best spielte von 1963 bis 1974 für Man­chester United und machte 470 Spiele, er holte mit dem Team zweimal die eng­li­sche Meis­ter­schaft und einmal den Euro­pa­pokal der Lan­des­meister. 1968 gewann er den Ballon d’Or. Pelé sagte über ihn: George Best war der groß­ar­tigste Fuß­baller auf der Welt.“ In Bel­fast sagen sie: Mara­dona good. Pelé better. George Best.“ Er war der erste Pop­star des Fuß­balls, einige nannten ihn den fünften Beatle. Später spielte er noch für einige US-ame­ri­ka­ni­sche Teams und in Aus­tra­lien, aber die meiste Zeit ver­brachte er auf Partys und in Dis­ko­theken. Mit 59 Jahren starb er in Folge seines exzes­siven Alko­hol­kon­sums. Zu seiner Beer­di­gung 2005 kamen 100.000 Men­schen.

Aber weiter mit Peter McCabe, meinem Guide, der immer tiefer hinein führt ins Haus und in die Geschichten. Im Flur steht ein prä­mo­dernes Rie­sen­te­lefon mit Gabel und Wähl­scheibe, und man erwartet ständig, dass gleich die fünf­ziger Jahre anrufen und ihre Möbel zurück­haben wollen. Im Wohn­zimmer liegen alte Zei­tungen, als hätte sie Best Sr. eben noch gelesen. Daneben Bests Schul­zeug­nisse („Hand­ar­beit: sehr gut“), Briefe und Post­karten. Als er mit dem Jugend­team von Man­chester United in San Sebas­tian war, schrieb er an seine Eltern: Wea­ther and girls fabu­lous. Your son George“.

Über dem Kamin eine Uhr, die für immer und ewig auf 15.04 Uhr steht, eine Erin­ne­rung an den 6. Februar 1958, als um eben jene Uhr­zeit das Flug­zeug mit der Mann­schaft von Man­chester United am Mün­chener Flug­hafen explo­dierte. Weiter geht es durch die Fünf­ziger-Jahre-Küche, in der ich mir, ich schwör, später eine Schürze mit Stick­muster umbinden und ein Shepherd’s Pie in den Ofen schieben werde.

Dann hinaus in den Garten, eine Rasen­fläche von 20 mal acht Meter viel­leicht, eine guter Ort zum Kicken. Als Kind schoss George oft einen Ten­nis­ball gegen das Mes­sing­schloss an der Hin­tertür. Er traf es so häufig, dass es ständig glänzte“, sagt Peter. Später, als Best berühmt war, schlich er sich über die Gärten der Nach­bar­schaft ins Haus, wäh­rend die Fans den Vor­der­ein­gang bela­gerten.

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