Simply the Best 11FREUNDE
Auf zwei Dinge sind die Menschen in Belfast stolz: auf die Titanic, die hier zwischen 1909 und 1912 gebaut wurde, und auf George Best, den größten nordirischen Fußballer aller Zeiten.
Besonders Best ist überall. Schon bei der Ankunft in Belfast grüßt er mich in großen Leuchtbuchstaben, denn der Flughafen ist nach ihm benannt. Im Osten der Stadt kann man einige Best-Wandmalereien entdecken, im Zentrum steht das Gebäude, das irgendwann mal zum George-Best-Hotel werden soll. Im Regal eines Plattenladens ist das Album der Band The Wedding Present mit dem ikonischen Foto von George Best ausgestellt, in einer Box findet man die Best-Tribute-Single „Belfast Boy“ von Don Fardon. In einem Touristenshop kann man George-Best-Bier und George-Best-Chips kaufen. Und im Supermarkt an der Kasse wundert man sich kurz, dass der Kassierer nicht George Best heißt, sondern Jack (so steht es auf seinem Namensschild).
Aber wenn wir ehrlich sind: So außergewöhnlich ist das natürlich gar nicht, denn welche Stadt präsentiert nicht gerne ihre berühmtesten Söhne und Töchter? In Buenos Aires wird man erschlagen von Maradona-Merch und Maradona-Graffiti; in Liverpool schallt einem an jeder zweiten Ecke ein Beatles-Song entgegen; in Madeira grient einen die Büste eines Typen an, der Cristiano Ronaldo sein soll (zumindest behauptet das der Künstler).
Die Einheimischen waren genervt von den Fanmassen
Kleiner Exkurs an dieser Stelle, es gibt auch Orte, da hält man wenig von Heldenkult: Die Gemeinde Loitsche in Sachsen-Anhalt versteigerte das Haltstellenhäuschen, in dem Bill und Tom Kaulitz von Tokio Hotel einst auf ihren Schulbus warteten. Die Einheimischen, so begründete die Ortsverwaltung die Veräußerung, waren extrem genervt von den Fanmassen, die täglich durch ihr Dorf marodierten und sich mit Bildern und Texten an der Bushaltestelle verewigten. Man mag sich gar nicht vorstellen, was in Loitsche los wäre, wenn man das Geburtshaus der Kaulitz-Zwillinge besichtigen oder sogar mieten könnte.
So wie in Belfast das Haus der Familie Best.

Es steht im Südosten der Stadt, Burren Way 16, roter Backstein, weiße Fensterrahmen, blaue Eingangstür, ein bescheidenes Heim in einem Arbeiterviertel. Nur ein kleines Schild verrät, wer hier mal gewohnt hat: „Familienhaus der Fußballlegende George Best“.
Die Bests zogen Anfang 1948 ein, George war damals 18 Monate alt, und er wohnte hier, bis er mit 15 Jahren zu Manchester United wechselte. Später bot George seinem Vater Dickie oft an, ein neues und größeres Haus für die Familie zu kaufen, aber Dickie lehnte immer ab. 2011, drei Jahre nach dem Tod des Vaters, erwarb eine Wohltätigkeitsorganisation das Haus, bevor es für immer vom Immobilienmarkt geschluckt werden konnte. Heute ist es eine Mischung aus Museum und Touristenunterkunft. Und als ich neulich für eine Reportage über das Stadion The Oval in Belfast war, habe ich das Haus für zwei Nächte gebucht.
Vergiss die Bombonera und das Maracana. Das schönste Fußballstadion der Welt steht im Osten des nordirischen Belfast. Willkommen beim Glentoran FC.
Am Gartentor wartet Peter McCabe, George-Best-Lexikon und George-Best-Haus-Hauswart in einem. „Bitte eintreten“, sagt er, und dann geht’s los. Denn bevor ich es mir hier gemütlich machen kann, unternehme mit Peter eine Zeitreise in die Vergangenheit.
In einem Regal am Eingang stehen sämtliche Best-Biografien, quasi zur Einführung. Also, im Schnelldurchlauf: Best spielte von 1963 bis 1974 für Manchester United und machte 470 Spiele, er holte mit dem Team zweimal die englische Meisterschaft und einmal den Europapokal der Landesmeister. 1968 gewann er den Ballon d’Or. Pelé sagte über ihn: „George Best war der großartigste Fußballer auf der Welt.“ In Belfast sagen sie: „Maradona good. Pelé better. George Best.“ Er war der erste Popstar des Fußballs, einige nannten ihn den fünften Beatle. Später spielte er noch für einige US-amerikanische Teams und in Australien, aber die meiste Zeit verbrachte er auf Partys und in Diskotheken. Mit 59 Jahren starb er in Folge seines exzessiven Alkoholkonsums. Zu seiner Beerdigung 2005 kamen 100.000 Menschen.
Aber weiter mit Peter McCabe, meinem Guide, der immer tiefer hinein führt ins Haus und in die Geschichten. Im Flur steht ein prämodernes Riesentelefon mit Gabel und Wählscheibe, und man erwartet ständig, dass gleich die fünfziger Jahre anrufen und ihre Möbel zurückhaben wollen. Im Wohnzimmer liegen alte Zeitungen, als hätte sie Best Sr. eben noch gelesen. Daneben Bests Schulzeugnisse („Handarbeit: sehr gut“), Briefe und Postkarten. Als er mit dem Jugendteam von Manchester United in San Sebastian war, schrieb er an seine Eltern: „Weather and girls fabulous. Your son George“.
Über dem Kamin eine Uhr, die für immer und ewig auf 15.04 Uhr steht, eine Erinnerung an den 6. Februar 1958, als um eben jene Uhrzeit das Flugzeug mit der Mannschaft von Manchester United am Münchener Flughafen explodierte. Weiter geht es durch die Fünfziger-Jahre-Küche, in der ich mir, ich schwör, später eine Schürze mit Stickmuster umbinden und ein Shepherd’s Pie in den Ofen schieben werde.
Dann hinaus in den Garten, eine Rasenfläche von 20 mal acht Meter vielleicht, eine guter Ort zum Kicken. Als Kind schoss George oft einen Tennisball gegen das Messingschloss an der Hintertür. „Er traf es so häufig, dass es ständig glänzte“, sagt Peter. Später, als Best berühmt war, schlich er sich über die Gärten der Nachbarschaft ins Haus, während die Fans den Vordereingang belagerten.
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